Review

Lola Shoneyin:

The Secret Lives of

Baba Segi’s Wives

// Black HERstory Month

// Im Februar 2020 habe ich eine Reihe an Empfehlungen für Bücher von weiblichen bzw. female presenting Schwarzen, afrikanischen Autor*innen auf Instagram hochgeladen. Im deutschsprachigen Raum sind Schwarze Autor*innen ohnehin unterrepräsentiert, von Schwarzen Autor*innen Afrikas, die nicht in der europäischen oder amerikanischen Diaspora sozialisiert wurden, hört man so gut wie gar nichts. Hier die Rezension zu dem fünften Buch, das ich im Rahmen des Black History Month empfohlen habe. Ich nehme in diesen Rezensionen grundsätzlich Bezug auf die englischen Originalversionen (in manchen Fällen auch Übersetzungen) der Romane. Auf deutsche Übersetzungen weise ich hin.

5. Lola Shoneyin: The Secret Lives of Baba Segi’s Wives

Es gibt einen chinesischen Film, den ich sehr gerne mag, “Die rote Laterne” (Regie Zhang Yimou). Darin geht es um die Frauen und Nebenfrauen desselben wohlhabenden Mannes. Die vier Frauen spielen sich gegenseitig aus und arbeiten miteinander, um die Aufmerksamkeit ihres Gatten zu erlangen – schließlich hängt von dieser Aufmerksamkeit ihr Lebensstandard ab, denn wen der Mann begünstigt wird verwöhnt, die übrigen Frauen hingegen vernachlässigt. Wenn der Herr des Hauses bei ihnen zu Besuch ist, dann hängt eine rote Laterne außen an der Türe. Im ganzen Film wird das Gesicht des Mannes nie deutlich gezeigt  (er ist allerdings zu hören), und doch ist seine Präsenz allgegenwertig, in jeder Entscheidung, die von den Frauen getroffen wird, und in allem, was sie dürfen, und was sie anstreben. Wie soll es in so einem Szenario, fragt sich die zu großen Teilen westlich geprägte Zuschauerin aus begrenzter Perspektive, ein glückliches Ende geben, oder echte Solidarität zwischen diesen Frauen?

Das Szenario in Shoneyins Debütroman ist ein ähnliches. Auch hier sind es vier Frauen, die alle, genauso wie der ihnen angetraute Mr. Alao alias Baba Segi, Geheimnisse hüten. Shoneyins Lyrikbackground ist in der Wortwahl deutlich zu erkennen, die bildhafte Sprache macht das Lesen leichtfällig, Sätze wie “[m]y daughters were born with eyes in their stomachs so they are quick to digest all that they see” erschüttern mich allerdings nachträglich umso mehr, je mehr ich darüber nachdenke. Der zunächst sehr leichte, beinahe schon joviale, Ton, der, wie es anfangs scheint, die patriarchale Polygamie in ein ausschließlich positives Licht rückt, weicht zwischendurch Szenen ungeschönter Brutalität. Erzählt wird aus den Perspektiven aller Frauen, aber auch aus denen des Mannes. Was allen Perspektiven dabei zueigen ist, ist die tiefe Abneigung und Misstrauen gegenüber Frauen. Wenn eine zutiefst patriarchale Grundhaltung die Grundlage des eigenen Vorankommens, oder gar Überlebens bildet, fällt die Solidarität notgedrungen weg. Im Gegensatz zu “Die rote Laterne” ist, wie bereits angedeutet, die Männerfigur hier nicht versteckt, sondern deutlich gezeichnet, die Leser*in gezwungen, auch seine Perspektive einzunehmen. Was ich als Stärke des Filmes empfand hätte in diesem Buch verklärt, woher die subtilen und offensichtlicheren Grausamkeiten der Frauen sich selbst und anderen Frauen gegenüber rühren. Dabei ist der durchweg leichte Ton dennoch trügerisch und verwischt das, was in anderen Kontexten deutlich gewaltvoller zu lesen wäre. Die Frauen jedenfalls gewinnen letzten Endes, vielleicht auch auf die Kosten der jeweils anderen, an Selbstständigkeit. Diese ist es am Ende, die Baba Segi dazu veranlasst, seinem Sohn die Monogamie nahezulegen.

Wer Detektivgeschichten mag ist hier an der richtigen Adresse, allerdings ist vieles in dem Buch schwer zu verkraften, wenngleich diese Szenen nur am Rande erzählt werden. Proceed with caution.

Was sich auf jeden Fall auch lohnt, ist sich mit der anderen Arbeit Shoneyins auseinanderzusetzen, die unter anderem literarischen Aktivismus für den afrikanischen Kontinent betreibt und das Aké Festival in Lagos gegründet hat.

Auf Deutsch erschienen bei Edition Büchergilde (aus dem Englischen von Susann Urban).

 

 

       Bild von Marie Minkov (@mmariemkv auf Instagram)